Kommentar Lothar Schubert
Für viele Branchenteilnehmende und Unternehmen war 2023 ein herausforderndes Jahr – das lässt sich nicht schönreden, vor allem wenn es um Existenzen geht. Hohe Zinsen, erhöhte Baukosten im Neubau, weiterhin Wohnungsmangel, die Branche ist unter Druck. Auch 2024 wird für viele Marktteilnehmenden ein intensives und existenzfragliches Jahr.
Dennoch: Prozesse werden in Gang gesetzt und beschleunigt, die dem Markt langfristig guttun. Denn Krisen verlangen zügige Veränderungen. Ein „weiter so“ ist nicht mehr denkbar, stattdessen steht Bewährtes auf dem Prüfstand, Ausgedientes muss überwunden und Neues gedacht und umgesetzt werden. Diese Transformation und Weiterentwicklung sind eine Chance für die Immobilienwirtschaft.
Also, wie bleibt Bauen zukünftig rentabel? Wir müssen innovativ sein und positive Visionen für die Zukunft formulieren, Wissen anhäufen und Expertisen bündeln. Die Krise erhöht den Digitalisierungsdruck am Markt und fordert klare Benchmarkts, um mit BIM die Kosten und Abläufe zu sichern und langfristig schnelles, effizientes Bauen über alle Phasen hinweg zu ermöglichen. Dazu gehören auch endlich bezahlbares serielles und modulares Bauen, ggf. auch Typenhäuser. Potenziale stecken in Bestandsimmobilien und bedarfsgerechter Planung, die auch in 10 Jahren noch genutzt werden will. Dabei kommt es auch darauf an, Konzepte anzupassen und neue Formen des Wohnens, Arbeitens oder des Luxus vorzustellen. Attraktive Stadtzentren leben dabei von Aufenthaltsqualität und diversen Angeboten, die verschiedene Ziel- und vor allem Altersgruppen ansprechen. In ansprechende Stadtquartiere gehören u.a. Büros, die durch ihre Ausstrahlung und ihren Strandort Lust auf die Arbeit vor Ort machen, denn Weiterentwicklung von Unternehmen passiert nicht im Home-Office. Wir müssen weiterhin in Quartieren und Nutzungsmischung denken und Vernetzung großschreiben, mit Infrastruktur als Bindeglied sowie kurzen Wegen für lebenswerte Stadtteile.
Auch in der Politik und der Bürokratie ist eine Veränderung viel zu lange aufgeschoben worden: wir müssen in den Prozessen schneller werden. Zumindest lokal zeichnen sich hier langsam ein Aufwachen und eine Verbesserung ab und wir können positive Beispiele benennen. Insgesamt ist es wichtig, dass der Wille zum gemeinsamen Vorgehen da ist und partnerschaftlich zusammengearbeitet wird. Eine positive Entwicklung sehen wir beim Thema ESG: die Vorarbeit der letzten Jahre wird belohnt werden, denn in zwei bis drei Jahren werden nur noch klimakonforme Objekte finanzierbar sein. Manage to green ist ein zukunftsfähiges Konzept für den Bestand und im Neubau wird ESG rechenbar gemacht - davon profitieren nicht zuletzt die Umwelt und nachfolgende Generationen. Und wenn nun die finanzierenden Akteure am deutschen Immobilienmarkt wieder etwas mehr Zuversicht haben, sich an nachhaltiger Stadtentwicklung zu beteiligen, können Wohnungsnot eingedämpft und durch Quartiersentwicklungen unsere Städte attraktiver gestaltet werden.
Ist die Krise unser Rückenwind? In jedem Fall beschleunigt sie Entwicklungen, fördert Innovationen und zeigt, dass unsere Möglichkeiten größer sind als gedacht. Dass der Zinsdeckel scheinbar erreicht ist und wir mit sinkenden Zinsen rechnen können – das ist ein Lichtblick und gibt Anlass zum Aufatmen. Und hinzukommt: die Immobilie als Kapitalanlage wird wieder attraktiv werden.